Jugendliche aktiv an Politik beteiligen - Wahlalter auf 16 herabsetzen! Klares Signal an die junge Generation

Veröffentlicht am 12.04.2010 in Jugend

SPD-Landtagsfraktion legt Gesetzentwurf vor. Dr. Linus Förster: Jugendliche müssen sich aktiv bei politischen Entscheidungen und Prozessen, die sie selbst betreffen, einbringen und so über die eigene Lebensgestaltung mitbestimmen können

Dass Jugendliche kein Interesse an Politik haben, ist ein Vorurteil. Wissenschaftliche Studien, aber auch das Ergebnis der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags „Jungsein in Bayern" beweisen: junge Menschen können und wollen Verantwortung tragen. Damit sich Jugendliche stärker in politische Entscheidungsprozesse einbringen können, fordert die SPD-Landtagsfraktion das Herabsetzen des Wahlalters auf allen politischen Ebenen in Bayern von 18 auf 16 Jahre als klares Signal an die junge Generation.
Dazu hat die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landeswahlgesetzes sowie des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes eingereicht, der am 14. April im Plenum des Landtags beraten wird.

In einer Pressekonferenz hat der jugendpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Linus Förster, die Gesetzesinitiative vorgestellt. Er verwies auf das Beispiel Österreich, wo 16-Jährige seit 2007 auch die Wiener Bundesregierung mitwählen dürfen. Das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung birgt nach SPD-Einschätzung die Gefahr, dass Ältere ihre Interessen auf Kosten der jüngeren Generation durchsetzen. "Es ist ganz sicher unserem politischen System nicht geholfen, wenn es auf ein Diktat der Greise hinausläuft. In der Pressekonferenz erläuterten die Präsidentin des Bayerischen Jugendrings, Martina Kobriger (Absenkung des Wahlalters, BJR-Hauptausschussbeschluss 2005), und die Vorsitzende der Jusos Bayern, Marietta Eder (Absenkung des Wahlalters), die sogar weitergehenden Beschlüsse ihrer Organisationen zum Thema Wahlalter.

Im Wortlaut:
SPD-Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung, des Landeswahlgesetzes
und des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes
(Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre bei Wahlen, Volksbegehren und Volksentscheiden sowie Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden)

Die Vorlage zur Pressekonferenz von Dr. Linus Förster, MdL:
Jugendliche aktiv an Politik beteiligen - Wahlalter auf 16 herabsetzen!

Der jugendpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag, Dr. Linus Förster, legt dem Bayerischen Landtag einen Gesetzentwurf für die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre vor – und zwar für alle politischen Ebenen in Bayern. Gemeinsam mit der Präsidentin des Bayerischen Jugendrings, Martina Kobriger, und der Juso-Landesvorsitzenden, Marietta Eder, fordert Förster bereits seit längerer Zeit, dass Jugendlichen die Möglichkeit erhalten sollen, sich möglichst früh aktiv an der politischen Willensbildung zu beteiligen. „Jugendliche müssen sich aktiv bei politischen Entscheidungen und Prozessen, die sie selbst betreffen, einbringen und so über die eigene Lebensgestaltung mitbestimmen können", fordert Förster.
Argumente wie „Junge Menschen sind politisch zu unreif, wollen selbst überhaupt nicht wählen oder sind politikverdrossen und wählen eh nur radikal" lässt der Jugendpolitiker nicht gelten: „In der heutigen Gesellschaft beweisen Jugendliche oft genug, dass sie sehr wohl in der Lage sind, verantwortlich zu handeln und ihr Verhalten auch zu reflektieren. Daher sollte auch für sie das Motto gelten ‚wer Pflichten hat, muss auch mit adäquaten Rechten ausgestattet sein'."

Für eine Absenkung des Wahlalters und gegen die Politikverdrossenheit Jugendlicher
„Außerdem", erinnert der Jugendpolitiker Förster, „hat die Jugend-Enquete-Kommission, die in der vergangenen Legislaturperiode im Bayerischen Landtag getagt hat, eindeutig festgestellt, dass Jugendliche vor allem parteien- und weniger politikverdrossen sind. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sich junge Erwachsene von den Parteipolitikern gängigen Typs nicht ausreichend vertreten fühlen und scheinbar keiner nach ihrer Meinung, insbesondere ihrem Votum fragt."
Ein frühes Wahlrecht ist ein Signal an die junge Generation, dass sie nicht weiterhin von zentralen politischen Entscheidungen ausgeschlossen wird.
„Wer beispielsweise mit 14, 15 oder 16 Jahren grundlegende Entscheidungen über seine (Aus-)Bildung treffen muss, muss auch politisch mitentscheiden dürfen, wie Politik Bildung definiert. Somit werden junge Menschen auch zur Zielgruppe von Parteien und PolitikerInnen," so Förster.
Zugleich fordert der SPD-Politiker, dass die Absenkung des Wahlalters von einer verstärkten Förderung von Maßnahmen der politischen Bildung flankiert werden müsse: „Es ist vollkommen klar, dass die Absenkung des Wahlalters vorbereitende und begleitende Maßnahmen im Bereich der politischen Bildung erfordert und zwar in der Schule, aber auch in Jugendorganisationen, denen eine entscheidende Rolle bei der politischen Partizipation Jugendlicher zukommt. Wir müssen uns daher auch über eine finanzielle und ideelle Unterstützung der politischen Bildung im Rahmen von Jugendarbeit unterhalten".

Unterschiedliche Studien und Erfahrungen aus Österreich belegen die Sinnhaftigkeit einer Absenkung des Wahlalters
Ergebnisse aus verschiedenen Studien sowie positive Erfahrungen mit dem Wahlalter 16 zeigen, dass mit einer Absenkung des Wahlalters viele positive Effekte einhergehen und häufig genannte Befürchtungen ausbleiben.
So machen junge Erwachsene von ihrem Wahlrecht genauso zahlreich Gebrauch wie ältere WählerInnen. Außerdem geht die Mehrzahl der Jugendlichen zu Wahl, weil ihnen die Möglichkeit zur Mitbestimmung und ihr Wahlrecht wichtig sind. Ihre Zweifel beziehen sich eher auf das Angebot der Parteien und nicht auf die Wahl an sich.
Überdies treffen sie ihre Wahlentscheidung hauptsächlich aufgrund von Informationen. Dies spricht gegen das Argument, dass sie leichter manipulierbar seien. Sie wünschen sich dezidiert mehr Informationen und weniger inhaltsleere Wahlkampf-Slogans. Selbiges bestätigen die Nationalratswahlen 2008 in Österreich.
Förster resümiert: „Bremen hat gezeigt, dass die Absenkung des Wahlalters auch in Deutschland möglich ist. Ich hoffe, dass sich die FDP an ihre Versprechen vor der Koalition mit der CSU erinnert und unseren Gesetzentwurf, der am kommenden Mittwoch, 14. April, auf der Tagesordnung der Plenardebatte im Landtag steht, zustimmt".

Fakten und Praxisbeispiel

■Wählen mit 16 – wozu?
Um junge Leute in den Mittelpunkt zu stellen. Einerseits wird die WählerInnen-Gruppe ab 16 Jahren vor allem über die Medien ein öffentliches Thema und gesell-schaftspolitisch relevant; andererseits müssen sich PolitikerInnen und Parteien über-legen, wie sie diese neue WählerInnen-Gruppe erreichen und ansprechen können.
■Vorbereitung und Begleitmaßnahmen
Klarer als je zuvor ist jetzt, dass die Senkung des Wahlalters vorbereitende und be-gleitende Maßnahmen im Bereich der politischen Bildung erfordert. Neben der Schu-le als konkretem Lernort für Partizipation kommt auch dem nicht-formalen Bildungs-sektor, indem vor allem Jugendorganisationen aktiv sind, eine entscheidende Rolle zu. Daher braucht es eine dementsprechende (finanzielle und ideelle) Unterstützung von politischer Bildung im Rahmen von Jugendarbeit.
■Wählen junge WählerInnen radikaler als andere?
JungwählerInnen entscheiden sich aufgrund von Informationen und klaren Botschaf-ten für eine Partei – sie fordern daher mehr Informationen und das Aufgreifen von Themen, die für sie relevant sind.
Gibt es in einem Land Probleme mit radikalen Parteien, so sollte dies kein Hindernis-grund für eine Wahlaltersenkung sein – diese wird an einer solchen Problemsituation nichts verbessern und nichts verschlechtern (weil Jugendliche nicht „radikaler“ wäh-len als andere Bevölkerungsschichten).
■Sind junge Menschen überhaupt an Politik interessiert?
Jugendliche und junge Erwachsene sind definitiv an Politik interessiert und geben auch an, dass die Senkung des Wahlalters und die Beteiligung an Wahlen ihr Inte-resse gesteigert hat. Drei Viertel der Befragten verfolgen zumindest ein- bis zweimal pro Woche oder sogar öfter politische Themen. Junge WählerInnen nehmen sehr bewusst wahr, ob PolitikerInnen und Parteien ihre Anliegen und Bedürfnisse ernst nehmen und diese thematisieren.
Argumente gegen die Senkung des Wahlalters - CONTRAs:

■Junge Menschen sind (politisch) unreif.
■Junge Menschen haben ein radikaleres Wahlverhalten.
■Junge Menschen wollen selbst nicht wählen.
■Junge Menschen haben genug Möglichkeiten zur Partizipation.
Argumente für die Wahlaltersenkung - PROs:

■Junge Menschen sind in der Lage verantwortlich zu handeln und ihr Verhalten zu reflektieren.
■Junge Menschen treffen ihren Entscheidungen aufgrund von Informationen.
■Junge Menschen sind politikinteressiert und wollen verlässliche Informationen er-halten.
■Junge Menschen sollten gemäß ihren Pflichten mit adäquaten Rechten ausgestat-tet sein.
Studienergebnisse
WählerInnen ab 16…
... machen von ihrem Wahlrecht genauso zahlreich Gebrauch wie ältere Wähler.
... unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Wahlentscheidung wesentlich nach ihrem sozioökonomischen Hintergrund und der Tatsache, ob sie sich noch in Ausbil-dung oder bereits in Beschäftigung befinden.
... gehen zur Wahl, weil ihnen die Möglichkeit zur Mitbestimmung und ihr Wahl-recht wichtig sind. Ihre Zweifel beziehen sich eher auf das Angebot der Partei-en, nicht auf die Wahl an sich.
... sind nicht „politikverdrossen“, sondern sie gehen auf Distanz zu Parteien und politischen Institutionen.
... treffen ihre Wahlentscheidung aufgrund von Informationen (was gegen das Ar-gument der angeblich leichteren Manipulierbarkeit von jungen WählerInnen spricht). Sie wünschen sich dezidiert mehr Informationen und weniger inhalts-leere Wahlkampf-Slogans.
... interessieren sich vor allem für die „Zukunftsthemen“ Ausbildung/Bildung, Ju-gendarbeitslosigkeit, Gleichberechtigung und Armut.

Praxisbeispiel: Österreich

Wahlen auf Gemeinde- und Landesebene waren und sind in Österreich Angelegen-heit des jeweiligen Bundeslandes. Bis zum Jahr 2007 gab es in Österreich unter-schiedliche Regelungen zum Wahlalter: In drei der neun Bundesländer wurde das Wahlalter bereits vor einigen Jahren gesenkt (für beide Ebenen: lokal and regional); in zwei Bundesländern lag das Wahlalter entweder für Gemeinde- oder Landesebene bei 16 Jahren und in vier Bundesländern generell bei 18 Jahren.
In den Bundesländern, die das Wahlalter bereits gesenkt hatten, gab es gute Erfah-rungen und eine hohe Wahlbeteiligung unter jungen WählerInnen (gleich hoch wie die durchschnittliche Wahlbeteiligung in der restlichen Bevölkerung).
2005 initiierte deshalb die Bundesjugendvertretung eine Studie zum Wahlverhalten von 16- bis 18-Jährigen bei den Gemeinderatswahlen in Wien. Die Ergebnisse dieser Analyse zeigten, dass die gängigen Argumente gegen eine Wahlaltersenkung nicht länger plausibel waren.

Kampagne „Wal (16) – Geht zu den Wahlen!“
Die Bundesjugendvertretung Österreichs startete deshalb die Kampagne „Wal (16) – Geht zu den Wahlen!“, erstellte Informationsbroschüren zur Situation in den Bundes-ländern, den Positionen der Parteien zur Wahlaltersenkung und den PROs und CONTRAs zur Wahlaltersenkung. Zusätzlich wurden Plakate und Sticker produziert, die das Wortspiel Wal (16) mit einem entsprechenden Sujet visualisierten. Ziel der Kampagne war es, Jung- und ErstwählerInnen zur Wahl zu bringen und zum Wahl-recht in Österreich zu informieren. Die Kampagne wurde auch dazu genutzt, um Lobbying für die Wahlaltersenkung zu betreiben. Das zentrale Tool der Kampagne war die Website „www.vote4future.at“.
vote4future wurde insgesamt sechs Mal organisiert (erste Runde: 2002, letzte Run-de: 2006); das größte Projekt war eine Bus-Tour durch Österreich (Tour d’Autriche, Europa- Parlamentswahlen 2004).
In öffentlichen Diskussionen wurde ein Forderungskatalog an die zukünftige Regie-rung präsentiert und diskutiert und dabei allen Spitzenkandidaten der kandidierenden Parteien überreicht. Die Wahlaltersenkung und der Ausbau von Möglichkeiten der politischen Partizipation von jungen Menschen rangierten dabei untern den wichtigs-ten Forderungen.

EU-Stars ’09 – get the vote!
Bei den Europa-Wahlen 2009 sind erstmals
16-Jährige wahlberechtigt – allerdings nur in Österreich.
Die Bundesjugendvertretung startete im Mai 2009 unter dem Slogan „EU-Stars ´09 – get the vote!“ eine Jugendkampagne zur Europawahl, die sich an Jung- und Erstwäh-lerInnen ab 16 Jahren richtet. Über die Website www.eustars.at“ liefert die Kampag-ne jugendgerechte Wahlinformation und motiviert junge Menschen durch Aufgreifen von Jugendthemen, sich mit der Europawahl auseinander zu setzen. Ein Online-Spiel und die Möglichkeit, Fragen an die SpitzenkandidatInnen zu stellen sind die interaktiven Elemente der Kampagnen-Website.

Wahlaltersenkung 2007
Die Senkung des Wahlalters wird in zwei Kapiteln des Regierungsprogramms, das am 11. Januar 2007 unterzeichnet wurde, erwähnt. Um bei der Implementierung der Wahlaltersenkung alle Bereiche der Partizipation durch Wahlen zu erfassen, muss-ten etliche Gesetze geändert werden (beispielsweise EU-Parlamentswahlen, Präsi-dentschaftswahlen, Volksabstimmung).
Der Ministerrat beschloss die Wahlaltersenkung am 14. März 2007, der Nationalrat stimmte am 5. Juni 2007 positiv über das Wahlrechtsänderungspaket ab.
Aufgrund des in der Verfassung verankerten Homogenitätsprinzips müssen nun jene Bundesländer, in denen das Wahlalter bislang nicht bei 16 Jahren lag, ihr Wahlrecht entsprechend anpassen.

Konsequenzen der Wahlaltersenkung

■Junge Menschen wurden zur Zielgruppe von Parteien und PolitikerInnen.
■Jugendarbeit und Jugendorganisationen fordern abermals die verstärkte För-derung von Maßnahmen der politischen Bildung im formalen wie im nicht-formalen Sektor sowie die Anerkennung von nicht-formaler Bildung .
■Konkrete Maßnahmen im Bereich „Politische Bildung“ folgten (siehe folgender Abschnitt).
Politische Bildung – Maßnahmen:

■Reform des Schulorganisationsgesetzes; Implementierung des Fachs “Politi-sche Bildung” (in Kombination mit “Geschichte”).
■Lehrstuhl für Didaktik der Politischen Bildung an der Universität Wien (derzei-tiger Professor: Wolfgang Sander).
■Entscheidend bist DU! Demokratieinitiative des Unterrichts- und des Wissenschaftsministeriums: Bewusstseinsbildung, im Fokus steht der intensive Dialog mit jungen Leuten; interaktive Online-Plattform „www.entscheidend-bist-du.at“.
■Demokratie-Werkstatt des Parlaments: Workshops für SchülerInnen, die mit einem Besuch des Parlaments gekoppelt sind; interaktive Online-Plattform www.demokratiewebstatt.at.

(12.04.2010)

 
 

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